Werden die Landesverbände des Medizinischen Dienstes entmachtet?

Wie eine unscheinbare Formulierung im KHAG die föderale Struktur des Medizinischen Dienstes verändern könnte

Mit dem Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) erhält der Medizinische Dienst Bund erweiterte Befugnisse – eine Änderung, die auf den ersten Blick technisch wirkt, tatsächlich aber tief in die föderale Struktur eingreift. Bereits der Referentenentwurf enthielt eine kleine, aber folgenreiche Ergänzung in § 283 Absatz 2 SGB V.


Vom Detail zur Steuerungshoheit

Nach dem Satz

„Der Medizinische Dienst Bund hat bis zum 12. Juni 2025 die Richtlinie nach Satz 1 Nummer 3 zu erlassen oder anzupassen, soweit dies auf Grund der Änderung dieses Buches durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz vom 5. Dezember 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 400) erforderlich ist.“

sollte ursprünglich folgender Satz ergänzt werden:

„Dies umfasst die Regelung einheitlicher und digitaler Prozesse zur Umsetzung der Richtlinien.“

Die Begründung dazu lautete:

„Eine einheitliche Abbildung der Prozesse der in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 1 enthaltenen Regelungen ist zugunsten einer größeren Effizienz und Vergleichbarkeit wünschenswert. Dies umfasst auch digitale Prozesse, die verstärkt genutzt und gefördert werden sollen.“

Diese Formulierung ließ offen, ob das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beabsichtigte, dem MD Bund künftig auch Einfluss auf die internen Abläufe der Landesdienste einzuräumen. Die Begründung gab darauf keine klare Antwort.


Abgeschwächt – und doch verschärft

Offenbar sind entsprechende Bedenken beim BMG angekommen – denn im Kabinettsentwurf vom 08.10.2025 wurde der Einschub einerseits durch eine „kann“-Regelung abgeschwächt:

„In den in Satz 1 genannten Richtlinien kann der Medizinische Dienst Bund auch Regelungen zu einheitlichen und digitalen Prozessen zur Umsetzung der Richtlinien treffen.“

Andererseits bestätigt die geänderte Begründung mögliche Eingriffe in die Ablauforganisation der Länder. Während der Referentenentwurf vor allem auf digitale Kommunikation und Effizienz abzielte, beschreibt der Kabinettsentwurf nun ausdrücklich auch Prozesse der Ablauforganisation in den Landesdiensten:

„Eine einheitliche Abbildung der Prozesse der in allen Richtlinien nach Absatz 2 Satz 1 enthaltenen Regelungen ist zugunsten einer größeren Effizienz und Vergleichbarkeit der sozialmedizinischen Begutachtungen (Prüfungen) wünschenswert. Dabei handelt es sich zum einen um Prozesse der Ablauforganisation bei den sozialmedizinischen Begutachtungen (Prüfungen) und zum anderen um digitale Prozesse (Datenverarbeitung und -übertragung), die verstärkt genutzt und gefördert werden sollen.“

Damit wird deutlich, dass der MD Bund künftig auch auf die interne Prozessgestaltung der Landesdienste Einfluss nehmen könnte – eine Entwicklung, die man faktisch als Eingriff in die Kompetenzen der Landesverbände interpretieren kann.


IT-Strukturen als Machtfrage

Zwar klingt die Begründung auf den ersten Blick positiv – wer würde sich gegen einheitliche und effiziente Prozesse aussprechen? Doch Prozesse sind eng mit den verwendeten IT-Systemen verknüpft.

Die Softwareentwicklung für die Dienste liegt bei der MD IT GmbH, die sich nach den Vorgaben der Landesdienste richtet. Der MD Bund spielt dabei keine oder nur eine nachgeordnete Rolle. Schon in anderen Bereichen, etwa bei der Einzelfallabrechnungsprüfung, setzten die Dienste auf proprietäre Formate statt offener Standards – und hielten teils bewusst an eigenen digitalen Prozessen fest.

Auf einem stagnierenden Krankenhaus-IT-Markt wirkt jede zusätzliche Variante kontraproduktiv – Sonderlösungen treiben den Entwicklungsaufwand, ohne echten Mehrwert zu schaffen. Bundesweit agierende Krankenhausketten hingegen hätten großes Interesse an einheitlichen Vorgaben, um ihre Systeme effizienter anzupassen.


Zwischen föderaler Vielfalt und zentraler Steuerung

Sollte der neue Passus in § 283 SGB V Gesetz werden, bleibt zu hoffen, dass der MD Bund die erforderliche fachliche und technische Kompetenz aufbaut, um seine neuen Steuerungsaufgaben mit Augenmaß und im Sinne einer bundesweit kohärenten Begutachtungspraxis wahrzunehmen.


💡 Dieser Beitrag beleuchtet die juristisch und organisatorisch relevante Schnittstelle zwischen Bundessteuerung und föderaler Eigenständigkeit im Medizinischen Dienst. Die Änderungen im KHAG könnten langfristig die Governance-Struktur des MD-Systems neu justieren.

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